Kurz vor dem Umzug in den modernen Fischmarkt – noch ein paar Eindrücke des traditionellen Fischmarkts
Manchmal kann ein Jetlag ziemlich gelegen kommen. Vor allem dann, wenn man in allen Reiseführern liest, dass man spätestens gegen 05:00 Uhr auf dem Fischmarkt Tsukiji sein sollte – denn gegen 10:00 Uhr ist die Show vorbei. Heißt es.
Also stehe ich um 04:00 Uhr auf und erlebe zum ersten Mal ein unnatürlich wirkendes stilles Tokyo. Die Shibuya-Kreuzung ist fast menschenleer, in der U-Bahn treffe ich noch auf ein paar feiermüde Partygänger. Apropos U-Bahn, besser kann man sich in Tokyo nicht fortbewegen. Zuerst die richtige Farbe auswählen, dann checken ob auch der Großbuchstabe passt und schließlich die Nummer des Bahnhofs mit der des Ziels vergleichen – und ab geht’s. Wichtig ist allerdings die U-Bahn-App mit deren Hilfe man den Ticketpreis im Voraus berechnet. Dann gilt es am Automaten nur noch den passenden Yen-Betrag (zwischen 170 bis 300) auszuwählen und schon hat man das Ticket in der Hand.
Als ich gegen 05:00 Uhr dann die U-Bahntreppe hinaufsteige, befinde ich mich mitten in der Nacht irgendwo in Tokyo. Niemand ist unterwegs und von den Touristenströmen in Richtung Fischmarkt ist weit und breit nichts zu sehen. Google Maps hilft mir die Richtung zu finden und ich marschiere durch die Nacht alleine an einer 6-spurigen Straße entlang in Richtung Fischmarkt. Dort angekommen empfangen mich zwei Fischmarkt-Aufpasser und halten mir ein laminiertes Schild entgegen – „Open for Tourists: 10:00 am“. Kann nicht wahr sein, oder?
Aber irgendwie kann ich sowohl die Aufpasser als auch die Arbeiter dort verstehen. Ich stehe am Rand an einer kleineren Halle und im Sekundentakt rasen die kleinen Lastentransporter teilweise ohne Licht an mir vorbei. Fasziniert beobachte ich das Treiben und versuche mir einen ersten Überblick zu verschaffen. Von den großen Hallen kommen die Transporter mit jeder Menge Styropor-Kisten oder kompletten Thunfischen (gefroren) zu den bereits wartenden Kleinlastern gefahren.
Irgendwie finde ich einen Weg hinein in eine der großen Fischhallen und stelle mich an den Rand um möglichst kein Aufsehen zu erregen. Die Blicke der Arbeiter verheißen nichts Gutes, ich mache ein paar schnelle Aufnahmen und ziehe mich wieder zurück.
Es ist immer noch dunkel und ich entdecke am Rand des Fischmarkts eine kleine Menschentraube, nichts wie hin. Es sind „locals“ die hier für ein Sushi-Frühstück anstehen. Dies hatte ich auch im Vorfeld gelesen, nirgends in Tokyo bekommt man frischeres Sushi als hier im Hafen. Ich habe Glück alleine hier zu sein – denn so bietet man mir einen letzten freien Platz in einer der Bars an. Wie muss man sich das vorstellen? Das Restaurant ist schlauchförmig und in Summe 3 Meter breit. Auf der einen Seite stehen die 4 Sushi-Meister, dazwischen eine Theke und danach ca. 20 Barhocker für die Gäste. Das war’s. Ich bestelle auf der Karte das „Fuji-Menü“ für 25,- € und esse in der nächsten Stunde um 06:00 Uhr morgens das beste Sushi meines Lebens. 9 verschiedene Teile, eines leckerer als das nächste. Und vor allem zu beobachten, wie der Sushi-Meister mir gegenüber mit Hingabe jedes einzelne Stück vorbereitet, unglaublich. Teilweise bis zu 3 Saucen in exakter Reihenfolge auf den Fisch, dann flambieren, dann Gewürze und Kräuter oben drauf. Ich trinke dazu grünen Tee und löffle meine Miso-Suppe, passt!
Allerdings habe ich doch einen kleinen Fehler gemacht. Neben mir sitzen 5 Amerikaner aus Seattle und was denen an Sushi serviert wird – unglaublich. Unter anderem klatscht der Koch ab und zu kräftig in die Hand was ich als Ritual deute. Denn gesprochen wird in der Bar kein einziges Wort. Von niemandem. Allerdings hatte das Klatschen einen anderen Zweck – denn auf dem darauf folgenden Sushi-Teilchen bewegte sich die Garnele noch leicht zuckend vor den Augen des Gastes. Frischer geht’s nicht…
Zum Zahlen kommt die Oma des Hauses vorbei – und wie üblich in Japan hält sie mir eine kleine Plastikschale hin in die ich mein Geld lege. Man verneigt sich ein paar Mal und als ich das Lokal verlasse stehen mittlerweile ca. 30 Personen an um einen Platz zu bekommen. Tja Leute, der frühe Vogel fängt das Sushi.
Es beginnt langsam hell zu werden, die Hektik und der Trubel auf dem Fischmarkt haben gefühlt nochmal ein wenig zugelegt.
Die Aufpasser sind nun richtig in Fahrt denn es gilt immer mehr Touristen einzufangen und auf 10:00 Uhr zu vertrösten. Ich mache mich erstmal auf und schlendere durch den angrenzenden Markt auf dem so ziemlich alles angeboten wird was man sich nur denken kann. Von japanischen Messern jeglicher Art und Größe (die hinten im Laden geschliffen und bearbeitet werden) bis hin zu getrockneten Fisch-Flocken, alles dabei.
Als ich um Viertel vor Zehn zurück zum Fischmarkt schlendere sind die Aufpasser schon dabei die mittlerweile zahlreichen Touristen in Gruppen einzuteilen. Als wir dann in die Hallen gelassen werden ist dort wirklich schon fast alles vorbei. Die Thunfisch-Sägen sind bereits geputzt und nur noch ein paar Händler haben noch geöffnet. Die Arbeiter dort haben sichtlich keinen Bock auf die Touristen – kann ich auch verstehen – und zeigen das in dem sie ihre 100 Liter Bottiche Wasser gezielt in Richtung Besucher ausschütten.
Man kann erahnen was hier in der Nacht für ein Gemetzel stattgefunden haben muss. An allen Ecken und Enden liegen Eimer mit Fischköpfen und Flossen, in den Furchen der Holztische steht teilweise noch das blutige Wasser, die letzten Messer werden gereinigt und die ersten Kehr-Trupps fegen bereits durch die Hallen.
Und morgen um Mitternacht geht’s wieder auf’s Gleiche los…